Zu Risiken und Nebenwirkungen: (Heraus-)Forderungen der Wirkungsforschung zu OER

Vor dem Hintergrund zeitgemäßer Bildung und steigender Schulbuchkosten nimmt die Diskussion um Open Educational Resources (OER) weiter Fahrt auf (Heimstädt & Dobusch 2017). OER sind offen lizenzierte sowie frei nutz-, veränder- und teilbare Bildungsmaterialien wie z.B. Arbeitsblätter oder auch Lernvideos. Lehrende und Lernende können kostenlos darauf zugreifen und die bereits erstellten und geteilten Materialien Anderer nutzen, ohne jedes Mal das Rad neu erfinden zu müssen oder das Urheberrecht zu verletzen (vgl. OERinfo). So die Idee. 

Doch die politischen und strukturellen Rahmenbedingungen für den Einsatz von OER sind noch stark ausbaufähig (Orr, Neumann & Muuß-Merholz 2017). Ein Grund könnte darin liegen, dass empirische Untersuchungen zu offenen Bildungsmaterialien im deutschsprachigen Raum nur geringfügig vorhanden sind und primär Beschreibungen des Ist-Zustands oder Zusammenhänge umfassen (Bellinger und Mayrberger 2019; Lechtenbörger 2019; Otto 2020b, 2019). Wo bleiben also Forschungsergebnisse zu den Wirkungen von OER? 

Einmal doppelten Idealismus, bitte!

OER wurden im Laufe der letzten Jahre etliche Wirkungen zugeschrieben: Sie sollen Inklusion und Bildungsgerechtigkeit fördern (Otto 2020 a; UNESCO 2013), Kosten verringern sowie Lehrkräfte entlasten (Krug 2019; Bliss, Hilton, Wiley & Thanos 2013). Bisher liegt aber nur wenig empirisches Wissen über OER vor und somit ist nicht hinreichend nachweisbar, dass OER eine tragfähige Lösung für die aktuellen Herausforderungen im Bildungsbereich sind. Als Konzept werden OER deswegen oft genug als idealistische Wunschvorstellung abgetan. 

Wirkungsforschung kann an dieser Stelle ein Instrument sein, um Steuerungswissen zu generieren, evidenzbasierte Forderungen an die (Bildungs-)Politik stellen zu können, auf dieser Grundlage Maßnahmen zu entwickeln und Anreize zu schaffen (Albus & Ziegler 2013; van Akeren, Zlatkin-Troitschanskaia, Binnewies, Clausen, Dormann, Preisendörfer, Rosenbusch & Schmidt 2011). Jetzt sind wir alle überzeugt, oder? Leider funktioniert es in der Praxis nicht ganz so. 

Wirkungsforschung wird im wissenschaftlichen Diskurs teilweise als “positivistisch” bezeichnet (Albus & Ziegler 2013). Es schwingt mit, dass sie gern überschätzt und der Nutzen für die Praxis idealisiert wird. Im worst case werden die Ergebnisse gar nicht genutzt, Graebsch (2018) hat das im Kontext von Wirkungsforschung in der Sozialpädagogik etwas bitter mit “Who cares?” zusammengefasst. Wie kann Wirkungsforschung zu OER also aussehen? 

Die große Blackbox

Wirkungsforschung geht in den meisten Fällen der Frage nach, welches Vorgehen am effektivsten ist, also die höchste Wahrscheinlichkeit hat, ein vorab bestimmtes Ziel zu erreichen (Sager, Hadorn, Balthasar & Mavrot 2021; Zeuner & Pabst 2020; Albus & Ziegler 2013). In der Medizin werden klassischerweise zwei Gruppen verglichen: Eine Gruppe bekommt ein Medikament, die andere ein Placebo. Die Teilnehmenden wissen nicht, ob sie das Medikament oder ein Placebo bekommen und die Wirkungen werden schließlich miteinander verglichen. So lassen sich Aussagen dazu tätigen, welche Wirkung durch welche Medikamentendosis hervorgerufen wird und wie groß diese Wirkung ist. Aber wie “verabreichen” wir OER und ein entsprechendes Placebo? 

Wir bewegen uns mit OER in den Bildungswissenschaften, hier können beispielsweise die Zufriedenheit von Lehrkräften und Schüler:innen, der Lern- und der Transfererfolg,  Kosteneinsparungen im Bildungssektor oder bessere Schulnoten als vorab bestimmtes Ziel untersucht werden. 

Schwierig daran ist, die Wirkungen von OER in einem komplexen Gefüge wie Schule eindeutig zu identifizieren (Zeuner & Pabst 2020). Denn die Rahmenbedingungen in Bildungskontexten (vgl. Rahmenmodelle in Gerecht, Steinert, Klieme & Döbrich 2007) sind Einflussfaktoren, die aufwändig durch statistische Verfahren herausgefiltert werden müssen (Kontrollvariablen), um die Wirkungen auf das vorab bestimmte Ziel OER zuordnen zu können. Hier sprechen wir nicht von nachvollziehbaren biochemischen Reaktionen, sondern von sozialen, emotionalen, kognitiven und kommunikativen Prozessen. Dazu kommt die Herausforderung, dass Aspekte von OER in der Bildungspraxis umgesetzt werden, allerdings ohne, dass die Lehrkräfte ihr Handeln als “OER” labeln, da ihnen der Begriff nicht bekannt ist (Bretschneider, Muuß-Merholz & Schaumburg 2012). Für einige der zugeschriebenen Wirkungen von OER sind demnach keine validen Aussagen zu Ursache und Wirkung möglich, da die Wechselwirkungen zu komplex sind. Was sollen wir jetzt also tun? 

Keine Forschung ist auch keine Lösung 

Insgesamt sind OER ein verhältnismäßig junges Forschungsthema, immerhin werden sie erst seit den frühen 2000er Jahren als solche diskutiert und erforscht (Armellini & Nie 2013). Das Erkenntnisinteresse ist groß – besonders wegen der vielen zugeschriebenen Wirkungen. Doch um ergiebige Erkenntnisse zu gewinnen und Antworten zu finden, brauchen wir erst einmal die richtigen Fragen. Otto, Schröder, Diekmann & Sander haben 2020 einige Forschungslücken und Desiderate identifiziert. Darunter der Einbezug etablierter Ansätze und Theorien der Bildungswissenschaft, der empirisch belegten Effekte der OER-Nutzung auf das pädagogische Handeln und die damit verbundene Veränderung der bestehenden Bildungspraxis. Hier könnte man wunderbar anknüpfen und eine öffentliche Übersicht aktueller Forschungsfragen zu OER unter Einbezug aller beteiligten Akteure erstellen. Damit sind u.a. Zivilgesellschaft, wie gemeinnützige Organisationen, die ihre Bildungsressourcen offen zugänglich machen oder welche für ihre Arbeit nutzen, sowie die OER-Communities, Bildungspolitik und Wissenschaft gemeint (vgl. (Bretschneider, Muuß-Merholz & Schaumburg 2012).

Eine weitere Idee besteht in der verstärkten Förderung für OER-Forschung und zwar nicht nur als Methode (Open Access), sondern als Forschungsgegenstand selbst, konkreter: Die Einrichtung von Forschungsgruppen, die breit sichtbar sind (weh mir, du schmerzlich vermisste OER-Map). 

Neben diversen Machbarkeitsstudien (vgl. Blees et al. 2016), Frameworks (vgl. Armellini & Nie 2013; Nikoi, Rowlett, Armellini & Witthaus 2011) und Kategorisierungen von OER (vgl. Kerres & Heinen 2015; Otto, Schröder, Diekmann & Sander 2020) bräuchte es die Entwicklung von OER-Erhebungsinstrumenten, also eine Sammlung von wissenschaftlich fundierten Fragen, die jeweils einem Thema (Konstrukt) zugeordnet werden können. 

Das zahlt auf mindestens zwei langfristige Möglichkeiten ein: Die bestehenden Definitionen von OER, die sich teilweise unterscheiden (Armellini & Nie 2013; Bretschneider, Muuß-Merholz & Schaumburg 2012), können durch diese Instrumente als wissenschaftlicher Konsens abgebildet werden und zur Systematisierung der OER-Forschung beitragen. Darüber hinaus können die Wirkungen von OER über die Zeit nachvollzogen werden (Längsschnitt).

1 Wunschkonzert

Forschung zu OER gibt es vor allem im Hochschulbereich (Otto, Schröder, Diekmann & Sander 2020; Bretschneider, Muuß-Merholz & Schaumburg 2012), dabei wären die Wirkungen von OER besonders im Kontext von Grund- und weiterführenden Schulen interessant. Denn das hier vermittelte Wissen ist deutschlandweit ähnlicher und die Schulklassen heterogener als z.B. ein Seminar über Literatur der Spätromantik an einer Universität (Dumont, Maaz, Neumann & Becker 2014). 

Wirkungen können von verschiedenen Akteuren als positiv oder negativ empfunden werden, und der Einbezug von Forschungsergebnissen zu Wirkungen in politische Entscheidungsprozesse ist u.a. vom Auftraggeber abhängig. Deswegen sollte Wirkungsforschung möglichst unabhängig finanziert und durchgeführt werden. Inwiefern Forschungsergebnisse in Politik und Praxis einbezogen werden, kann daneben durch Wissenschaftskommunikation beeinflusst werden. 

Apropos: OER sind ein interdisziplinäres Thema und Forschung dazu betrifft viele und verschiedene Zielgruppen (Krug 2019; Bretschneider, Muuß-Merholz & Schaumburg 2012; van Ackeren et al. 2011). Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung sollte idealerweise über die wissenschaftliche OER-Filterblase hinausgehen und von der Forschung für verschiedene Zielgruppen zugänglich gemacht werden. Das bedeutet, wissenschaftliche Ergebnisse nicht nur mit einer offenen Lizenz im Internet hochzuladen, wo es vor allem andere Wissenschaftler:innen erreicht, sondern zusätzlich dafür zu sorgen, dass die Informationen für verschiedene Zielgruppen aufbereitet werden, z.B. indem mehrere Sinne angesprochen werden, die Ergebnisse in Podcasts diskutiert oder in einer öffentlichen Diskussion vorgestellt werden. So können Transparenz und Partizipation an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis gefördert werden. 

Mit der Forschung allein ist es nicht getan, es fehlen evidenzbasierte Handlungsempfehlungen und Implementationsstrategien, die aus den Forschungsergebnissen abgeleitet werden können (Otto, Schröder, Diekmann & Sander 2020) und die bisher nur vereinzelt und für sehr spezifische Kontexte vorliegen (z.B. Heimstädt & Dobusch 2017). Hierfür braucht es eine (öffentliche) Diskussion zwischen Wissenschaft, Politik und Bildungspraxis. 

Und zu guter Letzt: Ich greife hier meinen Artikel von 2020 bei OERinfo auf, der den Titel “Wirkungsforschung zu OER” trägt. OER sind ein Teil von Open Educational Practices, kurz: OEP (vgl. Bellinger & Mayrberger 2019; Cronin & MacLaren 2018), die offene Pädagogik (Wiley & Hilton 2018; Armellini & Nie 2013), offene Software und vieles mehr (Bretschneider, Muuß-Merholz & Schaumburg 2012) umfassen. Während OER den öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs über Jahre hinweg dominierten, wird sich zunehmend in Richtung OEP orientiert und das sollte auch in der Wirkungsforschung Beachtung finden.

Soweit von meiner Seite. Was sind eure Gedanken, Ideen, Fragen und Wünsche an die Wirkungsforschung zu OER und OEP? 

Quellen

Bellinger, F., & Mayrberger, K. (2019). Systematic Literature Review zu Open Educational Practices (OEP) in der Hochschule im europäischen Forschungskontext. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung. https://doi.org/10.21240/mpaed/34/2019.02.18.X.

Blees, I., Hirschmann, D., Kühnlenz, A., Rittberger, M., Schulte, J., Cohen, N., Massar, T., Heinen, R., Kerres, M., Scharnberg, G., & Khenkitisack, P. (2016). Machbarkeitsstudie zum Aufbau und Betrieb von OER-Infrastrukturen in der Bildung (Stand: Februar 2016). Frankfurt a. M. Verfügbar unter: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0111-pedocs-117154 [letzer Zugriff am 02.08.2023].

Bliss, T. J., Hilton III, J., Wiley, D., & Thanos, K. (2013). The cost and quality of open textbooks: Perceptions of community college faculty and students.

Bretschneider, M., Muuß-Merholz, J., & Schaumburg, F. (2012). Open Educational Resources (OER) für Schulen in Deutschland. Whitepaper zu Grundlagen, Akteuren und Entwicklungsstand im März 2012.

Cronin, C., & MacLaren, I. (2018). Conceptualising OEP: a review of theoretical and empirical literature in Open Educational Practices. Open Praxis, 10(2), 127–143. https://doi.org/10.5944/openpraxis.10.2.825.

Dumont, H.; Maaz, K.; Neumann, M.; Becker, M.: Soziale Ungleichheiten beim Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I. Theorie, Forschungsstand, Interventions- und Fördermöglichkeiten. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 17 (2014) Suppl.24, S. 141-165. DOI:10.25656/01:12370; 10.1007/s11618-013-0466-1. 

Gerecht, M.; Steinert, B.; Klieme, E.; Döbrich, P.: Skalen zur Schulqualität. Dokumentation der Erhebungsinstrumente. Pädagogische Entwicklungsbilanzen mit Schulen (PEB). Frankfurt, Main: GFPF u.a. 2007.

Graebsch, C. M. (2018). What works? Who cares? Evidenzorientierte Kriminalprävention und die Realität der Jugendkriminalpolitik. Handbuch Jugendkriminalität: Interdisziplinäre Perspektiven, 197-216.

Heimstädt, M. & Dobusch, L. (2017). Perspektiven von Open Educational Resources (OER) für die (sozio-)ökonomische Bildung an Schulen in NRW und in Deutschland.

Kerres, M., & Heinen, R. (2015). Open informational ecosystems: the missing link for sharing educational resources. International Review of Research in Open and Distance Learning, 16(1), 24–39. https://doi.org/10.19173/irrodl.v16i1.2008.

Krug, R. (2019). Aspekte von Open Educational Resources vor dem Hintergrund der Ökonomisierung des Bildungssektors. Verfügbar unter: https://core.ac.uk/download/pdf/270293518.pdf [zuletzt eingesehen am 02.08.2023].

Lechtenbörger, J. (2019). Erstellung und Weiterentwicklung von Open Educational Resources im Selbstversuch. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung. https://doi.org/10.21240/mpaed/34/2019.03.02.X. 

Nikoi, S. K., Rowlett, T., Armellini, A., & Witthaus, G. (2011). CORRE: a framework for evaluating and transforming teaching materials into open educational resources. Open Learning: The Journal of Open, Distance and e-Learning, 26(3), 191-207.

OERinfo – Informationsstelle OER: Was ist OER? https://open-educational-resources.de/was-ist-oer-3-2/ [letzter Zugriff am 02.08.2023]. 

Orr, D., Neumann, J., & Muuß-Merholz, J. (2017). German OER practices and policy—from bottom-up to top-down initiatives. Moskau: UNESCO Institute for Information Technologies in Education.

Otto, D. (2019). Adoption and diffusion of open educational resources (OER) in education: a meta-analysis of 25 OER-projects. International Review of Research in Open and Distance Learning, 20(5), 122–140. https://doi.org/10.19173/irrodl.v20i5.4472. 

Otto, D. (2020a). „Grosse Erwartungen: Die Rolle Von Einstellungen Bei Der Nutzung Und Verbreitung Von Open Educational Resources“. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie Und Praxis Der Medienbildung 2020 (Occasional Papers), 21-43. https://doi.org/10.21240/mpaed/00/2020.02.26.X.

Otto, D. (2020b). Offene Bildungsmaterialien in der Schule für das Lehren und Lernen in der digitalen Welt: Cui bono? In K. Kaspar, M. Becker-Mrotzek, S. Hofhues, J. König & D. Schmeinck (Hrsg.), Bildung, Schule, Digitalisierung (S. 77–82). Münster: Waxmann. https://doi.org/10.31244/9783830992462. 

Sager, F., Hadorn, S., Balthasar, A., & Mavrot, C. (2021). Die Entstehung und Etablierung der Wirkungsforschung. In Politikevaluation: Eine Einführung (pp. 39-64). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.

UNESCO – Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (2013). Was sind Open Educational Resources? Und andere häufig gestellte Fragen zu OER. Bonn. Verfügbar unter: https://www.unesco.de/sites/default/files/2018-04/Was_sind_OER__cc.pdf [letzter Zugriff am 02.08.2023].

van Ackeren, I., & Zlatkin-Troitschanskaia, O. (2011). Evidenzbasierte Schulentwicklung: Ein Forschungsüberblick aus interdisziplinärer Perspektive. DDS–Die Deutsche Schule, 103(2), 170-184.

Wiley, D. A., & Hilton, J. (2018). Defining OER-enabled pedagogy. International Review of Research in Open and Distance Learning, 19(4), 133–147. https://doi.org/10.19173/irrodl.v19i4.3601.

Zeuner, C., & Pabst, A. (2020). Wirkungen von Bildungsprozessen: messbar oder nachweisbar?. Messbarkeit von Bildungseffekten: Potenziale-Widersprüche-Schieflagen.

Der Dualismus der Daten und die Bedeutung von Algorithmen

Wir interagieren bei der Internetnutzung im Alltag mit diversen Algorithmen, sei es auf unseren Social-Media-Profilen, beim Surfen im Web, beim Lesen einer Online-Zeitung oder beim Schauen eines YouTube-Videos. Algorithmen erweisen sich als nützliche Helfer, denn sie ermöglichen z.B. beim Online-Shopping die Speicherung des Warenkorbs beim Verlassen der Website. Dabei nehmen wir diese Algorithmen kaum aktiv wahr, was hat es also mit ihnen auf sich und welche Kehrseiten müssen wir bedenken?

Unsichtbares Protokoll

Ein Algorithmus ist ein Satz von Routinen, Regeln oder Befehlen. Da Algorithmen in der Regel auf der Benutzeroberfläche unsichtbar sind, werden sie auch als “Blackbox” bezeichnet. Die Funktionsweise ist Internetzutzenden nicht immer bekannt und dadurch fehlt eine Sensibilisierung für potentielle Bedrohungen: Algorithmen werden versteckt, um das geistige Eigentum zu schützen, die Details vor den Nutzenden zu verbergen und deren „Interaktion“ mit dem System mühelos zu gestalten. Dadurch wird aber gleichzeitig verhindert, dass die Nutzenden die Einzelheiten der Funktionsweise oder sogar die Existenz algorithmischer Systeme verstehen. Unabhängig davon, ob das Verständnis der Nutzenden vorhanden ist oder nicht, kann ihr wahrgenommenes Wissen über einen Algorithmus dennoch ihr Verhalten beeinflussen, weshalb ein Bewusstsein für diese Prozesse wichtig ist. Dazu gehört, Algorithmen transparent zu machen – zumindest auf der Ebene, die für eine verantwortungsvolle Nutzung erforderlich ist – und Menschen dabei zu unterstützen, ihr Verhalten im Internet verantwortungsvoll zu gestalten.

Das Risiko der Filterbubble

Algorithmen sortieren Daten auf der Grundlage dessen, was uns zu gefallen scheint, und schlagen uns darauf basierend ähnliche Inhalte vor. Künstliche Intelligenz (KI) kann bei der Sortierung derartig großer Datenmengen äußerst effizient sein. Sie filtert durch Klassifikationen und Priorisierungen von Informationen den Inhalt, den wir täglich online sehen. So werden uns individuell zugeschnittene Online-Inhalte und Dienste auf der Grundlage unserer Gewohnheiten, Vorlieben und Identitätsmerkmale angeboten. Automatisiert bestimmen sie unsere Informationsquellen und damit auch unsere Perspektive auf die Welt und auf andere. Diese Filterblase führt zu einer Reproduktion unserer bereits bestehenden Meinungen und spitzt sie eventuell noch zu, denn andere Perspektiven werden ausgeblendet. Filterblasen können uns so zwar Zeit bei der Suche nach neuen Inhalten sparen, aber auch unser Weltbild stark beeinflussen und kognitive Verhaltensweisen wie Impulsivität und Ablenkung verstärken. Werden wir uns dieser Blasen bewusst, können wir Online-Inhalte differenzierter betrachten und den Algorithmus gezielt beeinflussen, indem wir z.B. nach anderen Perspektiven auf ein Thema suchen.

Das Risiko von Personalisierung und Profilierung

Mit der zunehmenden Anzahl an Personalisierungstechnologien durch kommerzielle Plattformen wie Amazon, Netflix oder Spotify wächst auch die Anzahl der Datenverfolgungspraktiken, die dazu dienen, Rückschlüsse auf die alltäglichen Gewohnheiten und soziokulturellen wirtschaftlichen Verhaltensweisen abzuleiten. Zu den aktuellen Strategien der Datenverfolgung gehören das Sammeln von Browserverläufen, „Likes“, Kauf- und Suchverläufen, Geolokalisierung, App-Interaktionen, hochgeladenen Fotos, mobilen und anderen hörbaren Gesprächen, geschriebenen Kommentaren, geräteübergreifenden Aktivitäten und IP-Adressen, Inhalten von E-Mails, sozialen Kontakten, Song-Downloads, Kreditvergangenheit, Film-/Fernsehverhalten, Spiele-Highscores und eine Vielzahl anderer nachvollziehbarer alltäglicher Handlungen. Benutzerinformationen und Suchanfragen werden in Datenbanken zusammengefasst, um Kaufabsichten, Wünsche und Bedürfnisse verstehen und voraussagen zu können, welche dann in Echtzeit mit Verhaltensmodellen abgeglichen werden können. Klicks kommt dabei ein eine Schlüsselrolle zu, denn sie werden als Muster von Verhaltensweisen „gelesen“. Anhand dieses Klickverhaltens produzieren Algorithmen Wissen, das zu komplexen Profilen verdichtet wird. Um dieses Profil aktiv verändern zu können, benötigen Nutzende ein Bewusstsein für diese Prozesse und Zugang zu ihrem Profil. Diese sind meist weder transparent noch beeinflussbar, da die Verfahren zur Errechnung von Profilen in der Regel Geschäftsgeheimnis sind. Eine Ausnahme ist Google: Eingeloggten Nutzenden wird die Möglichkeit geboten, das über sie erstellte Profil einzusehen und anzupassen. Sie können ihr persönliches Interessenprofil in den Einstellungen bei den Ad Preferences einsehen.

Was bedeutet “Algorithmic Literacy”?

Unter Algorithmic Literacy wird verstanden, über ein Bewusstsein für die Verwendung von Algorithmen in Online-Anwendungen, -Plattformen und -Diensten zu verfügen, die Funktionsweise von Algorithmen zu kennen, algorithmische Entscheidungen kritisch bewerten zu können sowie die Kenntnis mit algorithmischen Vorgängen umzugehen und sie zu beeinflussen. Praktisch bedeutet dies, dass Individuen in der Lage sind, Strategien zur Änderung vordefinierter Einstellungen in algorithmisch kuratierten Umgebungen, wie z. B. in ihren Social Media Newsfeeds oder Suchmaschinen anzuwenden. Das Ziel hierbei ist, die Ergebnisse verschiedener algorithmischer Entscheidungen zu vergleichen, um die Perspektivenvielfalt zu erhalten und die eigene Privatsphäre zu schützen. Algorithmic Literacy kann dementsprechend als ein Aspekt von Medienkritik und -kompetenz betrachtet werden.

Mittlerweile sollte deutlich geworden sein, dass es im algorithmischen Kontext auch immer um Datensammlung, Datenverarbeitung und Datenaustausch geht.  Dementsprechend ist auch der Datenschutz ein wichtiges Thema, wenn die Rede von einer Algorithmic Literacy ist. Besonders Social-Media-Algorithmen werden so designt, dass schnell Abhängigkeiten entwickelt werden können. Um dem entgegenzuwirken, kann ein erster Schritt darin bestehen, die Benachrichtigungen der Apps einzuschränken und sich seiner Nutzungszeit bewusst zu werden. Ein Projekt, das sich dafür einsetzt, ist das Algorithm & Data Literacy Project der UNESCO, das verschiedene Materialien zur Aufklärung über Algorithmen und ihre Auswirkungen auf den Menschen und die Gesellschaft, die auch für Kinder und den Unterricht geeignet sind, kostenlos bereitstellt. Wer mehr zu Algorithmen im Unterricht erfahren möchte, kann sich hier unser Video auf YouTube ansehen.


Quellen

Leyla Dogruel, Philipp Masur & Sven Joeckel (2022) Development and Validation of an Algorithm Literacy Scale for Internet Users, Communication Methods and Measures, 16:2, 115-133, DOI: 10.1080/19312458.2021.1968361

https://algorithmliteracy.org/https://www.pewresearch.org/internet/2017/02/08/theme-7-the-need-grows-for-algorithmic-literacy-transparency-and-oversight/

https://algorithmliteracy.org/

Open Source in der Landwirtschaft?!

Bei „Open Source“ denken die meisten zunächst nicht an Landwirtschaft, Gartenarbeit oder Nahrungsanbau. Tatsächlich gibt es gerade in diesem Bereich vielversprechende Ideen und rege Entwicklungen.

Womöglich liegt das an der stetig wachsenden Bevölkerung und der Klimakrise, die das Potenzial für Ernährungsunsicherheiten in Zukunft erhöhen wird. Eine mögliche Lösung für diese Probleme und die nachhaltige Lebensmittelerzeugung kann die Präzisionslandwirtschaft sein. Sie ist durch den Einsatz digitaler Technologien zur Überwachung und Optimierung landwirtschaftlicher Produktionsverfahren gekennzeichnet und bietet einen Mechanismus zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und zur Schaffung nachhaltiger Ernährungsmuster. Zum Einsatz kommen dafür verschiedene Sensoren, die z.B. die Wasserspeicherkapazität des Bodens oder die Temperatur messen. Wird beispielsweise eine unregelmäßige Wasserspeicherfähigkeit des Bodens von den Geräten festgestellt, kann die Wasserversorgung der Pflanzen an ihre Bedürfnisse angepasst werden. Der eigene Garten oder die eigene Farm wird somit zur Forschungsstation. Am einfachsten lässt sich dieses Konzept mithilfe von Open-Source-Technologien und Anwendungen umsetzten, um dort Nahrungsmittel anzubauen, wo es vorher nicht möglich war und zu jeder Jahreszeit eine Nahrungsquelle haben. Beim Open Gardening und Open Farming sind vor allem Food-Computer weit verbreitet. Diese sind im Grunde Tischgärten, die von einem Computer über ein Netzwerk von Sensoren, Lampen und Ventilatoren gesteuert werden und erstmals von Schüler:innen der Green Street Academy entwickelt wurden. Es handelt sich um eine Schaumstoffbox, die alles enthält, was eine Pflanze zum Wachsen und Gedeihen braucht: Wasser, Nahrung, Licht und ein kontrolliertes Klima. Doch beim Open Gardening und Open Farming geht es nicht nur um die genutzten Technologien, sondern auch das entsprechende offene Mindset. All diese Entwicklungen waren und sind nur in Zusammenarbeit möglich. Im Vordergrund der Open-Farming-Gemeinschaft steht der Austausch von Wissen und Ideen, um gemeinsam und gegenseitig die verschiedenen Projekte zu realisieren und weiterzuentwickeln. Im Folgenden stellen wir vier solcher offener Projekte vor, die in Zusammenarbeit das Problem der Klimakrise angehen:

Mit FarmBot kann jede:r mithilfe von CNC-Maschinen, die mithilfe von Steuerungstechnik Werkstücke automatisch herstellen, und der dazugehörigen Web-App auf jedem Computer oder mobilen Gerät verschiedene Pflanzen und Gemüsearten ziehen und den eigenen Garten von überall aus verwalten. Die Steuerung wird manuell bedient und es sind keine Programmierkenntnisse erforderlich. Die Open-Source-Technologie kann den gesamten Gemüsebedarf einer Person kontinuierlich anbauen, und das nach zwei Jahren zu geringeren Kosten als beim Einkauf in einem durchschnittlichen US-Lebensmittelgeschäft.

OpenFarm ist eine freie und offene Datenbank für landwirtschaftliches und gärtnerisches Wissen. Die Idee war mithilfe von Experten und Anfängern in der Landwirtschaft, einen zentralisierten, strukturierten und offenen Datensatz zu erstellen, der beschreibt, wie Pflanzen unter bestimmten Umweltbedingungen und mit bestimmten Anbaupraktiken angebaut werden können. So entstand eine Gemeinschaft sowie Werkzeugen für den freien Austausch von Pflanzenwissen auf lokaler und globaler Ebene, mit dem Ziel Grenzen durch den offenen Austausch von Wissen zu überwinden und die Beteiligung am Lebensmittelsystem zu erhöhen. Alle Daten und Inhalte von OpenFarm sind gemeinfrei (CC0) und damit leicht zugänglich. Der Quellcode von OpenFarm ist auf GitHub unter MIT-Lizenz verfügbar.

farmOS ist eine webbasierte Anwendung für die Verwaltung, Planung und Aufzeichnung von landwirtschaftlichen Betrieben. Sie wird von einer Gemeinschaft von Landwirten, Entwicklern, Forschern und Organisationen mit dem Ziel entwickelt, eine Standardplattform für die Erfassung und Verwaltung landwirtschaftlicher Daten bereitzustellen. Der farmOS-Server basiert auf Drupal, was ihn modular, erweiterbar und sicher macht und ist, wie die dazugehörige App unter der GNU General Public License lizenziert, d.h. sie sind frei und Open Source.

TANIA ist eine Open-Source-Betriebsführungs- oder Verwaltungssoftware für Landwirte, die mit der Hilfe von Entwicklern, Nutzern, Landwirten, Forschern und Landwirtschaftsexperten von Tanibox im Jahr 2017 initiiert wurde und auf GitHub gehostet wird. Sie wurde vor allem für Landwirte und Entwickler entwickelt, die sich für die Präzisionslandwirtschaft interessieren. Die Software funktioniert in jedem Betrieb, ist leicht zugänglich, flexibel, sicher, benutzerfreundlich und erschwinglich. Sie bietet außerdem Konnektivität mit Geräten wie z. B. Sensoren und Aktoren, um Landwirten mehr Kontrolle über die Überwachung und Steuerung ihres Betriebs zu geben, egal wo sie sind und wann sie es brauchen. So können sie ihren Betrieb nachhaltiger gestalten.

Quellen:

https://www.thuenen.de/de/at/arbeitsbereiche/umwelttechnologie-boden-pflanze/praezisionslandwirtschaft/

https://www.redhat.com/de/open-source-stories/farming-for-the-future

Offene Bildung als Intervention für sozio-ökonomisch schwächere Regionen

Bereits seit einigen Jahren lassen sich in Staaten in Afrika und Südasien Trends hin zur Online-Bildung erkennen – und das trotz anhaltender technologischer Barrieren. Warum das so ist, welche Potentiale offene Bildung für sozio-ökonomische schwache Regionen bergen und wie Herausforderungen dabei überwunden werden können, zeigen wir in diesem Beitrag.

Viele Staaten in Afrika südlich der Sahara (SSA) und einige Regionen in Südasien können aufgrund sozialer und ökonomischer Indikatoren wie geringem Einkommen, stark ungleiche Wohn- und Eigentumsverhältnissen sowie mangelhafter Schul-, Aus- oder Weiterbildungsmöglichkeiten als sozio-ökonomisch geschwächt bezeichnet werden. Nach Schätzungen der UNESCO nahm 2016 weltweit eines von fünf Kindern an keiner Form von Bildung teil. Fast alle dieser Kinder im Alter von 6 bis 17 Jahren lebten in Entwicklungsländern. Diese Krise könnte sich noch verschärfen, denn es wird erwartet, dass sich die Jugendbevölkerung Afrikas bis 2050 auf 830 Millionen Menschen verdoppeln wird. Die Bildungssysteme in diesen Entwicklungsregionen können das oft nicht auffangen, denn es werden nur wenige Ressourcen für Bildung bereitgestellt. Vor diesem Hintergrund gewinnt offene und digitale Bildung als Maßnahme für einen niedrigschwelligeren Zugang zu Bildung stetig an Relevanz.

Eine Frage des Geldes

Der Bau von Schulen und Universitäten nützt langfristig wenig, wenn die Regierungen deren Instandhaltung und laufende Kosten nicht tragen können. Viele Bildungssysteme in Enwticklungsregionen sind bereits chronisch unterfinanziert – eine Situation, die sich weiter zuspitzen kann, wenn die Systeme expandieren und immer teurer in der Verwaltung werden. Finanzierungsprobleme sind in SSA allgegenwärtig, obwohl die Regierungen im internationalen Vergleich relativ große Teile ihres Haushalts für Bildungszwecke ausgeben. Regierungen in einkommensschwachen Ländern sehen in offener und digitaler Bildung zunehmend eine Möglichkeit, Kapazitätslücken zu schließen. Denn verglichen mit dem Bau neuer Einrichtungen in Form von Ziegelsteinen und Mauern stellt digitales Lernen in Form von digitalen Engeräten und kostenfreien Anwendungen eine flexible und effizientere Alternative dar. Inwiefern diese Alternative auch didaktisch sinnvoll ist, bleibt offen, aus bildungsökonomischer Sicht ist digitale und offene Bildung in Entwicklungsländern jedoch sicherlich vielversprechend.

Smartphone-Verbot hier, mobiler Unterricht dort

Was die digitale und offene Bildung in SSA und Südasien zunehmend attraktiver macht, ist die Flexibilität der Bildungssysteme: Es müssen im Gegensatz zu westeuropäischen Bildungssystemen keine historisch entwickelten Strukturen umgewälzt werden. Allerdings besteht in diesen verhältnismäßig jungen Bildungsstrukturen die Herausoforderung, Schule als zentralen Ort verpflichtender Bildung zu etablieren und die Quote der Bildungsabschlüsse zu steigern. Die ist derzeit nicht einmal annähernd im Bereich von Europa und Nordamerika. Digitaler Unterricht könnte hier der Schlüssel zu sein, allerdings wird in vielen Entwicklungsregionen die Teilnahme an Online-Bildungsformaten immer noch durch technologische Infrastrukturbarrieren behindert. Diese digitale Kluft ist besonders in Afrika eine Hürde, denn hier liegt die Internetdurchdringung immer noch weit hinter anderen Weltregionen zurück. Nur 18 Prozent der Haushalte auf dem Kontinent verfügten 2017 über einen Internetanschluss in ihrem Haus, verglichen mit 84,2 Prozent in Europa. Es ist jedoch zu beachten, dass die Internetdurchdringung in Afrika je nach Staat und Region unterschiedlich ist: Während die Mehrheit der städtischen Afrikaner inzwischen über mobile Geräte und Zugang zu mobilem Breitbandinternet verfügt, haben viele Menschen in abgelegenen ländlichen Gebieten keinen privaten Zugang und müssen das Internet in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Universitäten und Internet-Kiosken nutzen, die über Satellitenterminals verbunden sind und oft mit Solarstrom betrieben werden. Die rasche Verbreitung von Smartphones hat jedoch in den letzten Jahren dazu geführt, dass digitales Lernen zu einem wesentlich attraktiveren Angebot geworden ist. Die mobile Breitbandtechnologie dringt schnell auch in abgelegene ländliche Regionen vor und ermöglicht den Menschen dort einen Internetzugang. So ist „m-learning“ unter Verwendung von Mobiltelefonen zu einer gängigen Unterrichtsform in sozio-ökonomisch schwachen Gesellschaftsschichten in SSA geworden.

Erwachsenenbildung leicht gemacht

Offener Fernunterricht (Open Distance Learning, kurz: ODL) wird schon seit geraumer Zeit als Mittel zur Ausweitung des Zugangs verfolgt. ODL-Universitäten bieten integrative, bedarfsgerechte Bildung. Sie gelten allgemein als wirksames Instrument der sozialen Entwicklung und werden von Organisationen wie der UNESCO unterstützt. Was die meisten von ihnen gemeinsam haben, sind ihre im Vergleich zu anderen Hochschulen relativ niedrigen Zulassungsstandards. Die meisten, aber nicht alle, erheben Studiengebühren für ihre Programme, die von kurzfristigen Diplom- und Zertifikatskursen bis hin zu vollwertigen Bachelor-, Master- und Doktorandenprogrammen reichen. Viele ODL-Einrichtungen verfolgen ein Blended-Learning-Modell, das verschiedene Formen der Fernlehre mit Nachhilfeunterricht in Studienzentren kombiniert, die den Studierenden auch Zugang zu Bibliotheken, Computern und Videokonferenzeinrichtungen bieten. Flexible Zeitpläne ermöglichen es sowohl Erststudenten als auch berufstätigen Erwachsenen, sich weiterzubilden, selbst in abgelegenen, unterversorgten Regionen. Darüber hinaus werden Spitzenforschungsuniversitäten in Afrika in der Lage sein, Kosten zu teilen und Ressourcen zu bündeln, indem sie Tools wie gemeinsame digitale Bibliotheken und digitale Kommunikationseinrichtungen nutzen, die dazu beitragen werden, Institutionen auf dem gesamten Kontinent in transnationalen Forschungsclustern zu verbinden.

Ist teuer gleich gut?

ODL wird oft als minderwertig abgetan und als Gegensatz zu teuren Privathochschulen gesehen. Offene Universitäten wurden jedoch nicht als Zentren akademischer Exzellenz konzipiert. Sie wurden vielmehr entwickelt, um Bildung für die breite Masse zu niedrigen Betriebskosten zu ermöglichen. ODL ist keine Lösung für die Schaffung von Bildungssystemen der Weltklasse, aber er spielt eine wichtige Rolle für den Zugang zu Millionen von Studieninteressierten und ist zu einem festen Bestandteil vieler Bildungssysteme geworden. Es muss jedoch eingeräumt werden, dass die Qualität der Anbieter von Fernunterricht im Allgemeinen sehr unterschiedlich ist. Deshalb braucht es Stellen, die ODL-Einrichtungen prüfen – und auch diese gibt es (in kleiner Anzahl) bereits. Es wäre deshalb ein Fehler, alle ODL-Einrichtungen als minderwertig abzutun.

Der goldene Mittelweg

In Entwicklungsländern reicht die Bereitstellung von Technologie und digitalen Inhalten allein sicherlich nicht aus, um Schüler:innen für digitales Lernen zu motivieren. Hybride Ansätze sind vielleicht das vielversprechendste und qualitativ hochwertigste Modell. In Zukunft werden Pädagog:innen und politische Entscheidungstragende überprüfen müssen, wie Online-Lernen am besten konzeptualisiert und eingesetzt wird, wie die Bereitstellung und der Inhalt von Online-Kursen verbessert und sie gleichzeitig interaktiver und relevanter für den lokalen Kontext gemacht werden kann. Denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die folgenden Generationen, die mit mobilen Geräten aufgewachsen sind und einen großen Teil ihrer sozialen Interaktionen online abwickeln, der digitalen Bildung gegenüber aufgeschlossener sein werden.  

Best Practice

Die meisten Regierungen in Afrika verfolgen inzwischen eine Politik, die die Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und digitalem Lernen fördert. Die kenianische Regierung beispielsweise startete 2016 ein Programm für digitales Lernen, um die Grundschulbildung zu digitalisieren. Bis März 2018 wurden mehr als eine Million Laptops und Tablets mit interaktiven digitalen Inhalten an 19.000 öffentliche Schulen geliefert. Darüber hinaus gibt es einige ambitionierte Projekte, die den Zugang zu Bildung fördern:

1. OER Africa ist eine Initiative, die vom South African Institute for Distance Education ins Leben gerufen wurde. Sie operiert in ganz Afrika und spielt eine führende Rolle bei der Unterstützung von Hochschuleinrichtungen bei der Entwicklung und Nutzung von Open Educational Resources (OER) zur Verbesserung von Lehre und Lernen. Weitere OER-Organisationen und Projekte hat OER Africa hier zusammengestellt.

2. Skills for a Changing World” zielt darauf ab, Bildungsmöglichkeiten für diejenigen zu schaffen, die derzeit von der nachschulischen Bildung ausgeschlossen sind, und zwar sowohl auf der Ebene der allgemeinen und beruflichen Bildung als auch auf der Ebene der Hochschulbildung. Neben der Vorbereitung auf ein weiterführendes Studium zielt das Programm auch darauf ab, die Studierenden auf die Arbeitswelt vorzubereiten, indem es sich auf die Entwicklung allgemeiner Fähigkeiten konzentriert, die für ein erfolgreiches Arbeiten in der heutigen Wirtschaft unerlässlich sind.

3. African Storybook“ stellt freier Zugang zu Bilderbüchern in den Sprachen Afrikas zur Förderung der Lese- und Schreibfähigkeit, der Freude und der Fantasie der Kinder.

In a nutshell

E-Learning hat zweifellos eine Reihe von Vorteilen gegenüber dem Lernen vor Ort: Es entfallen die Kosten für gedrucktes Lehrmaterial und die Notwendigkeit einer physischen Infrastruktur, sodass es auch in Regionen angeboten werden kann, in denen eine solche Infrastruktur nicht vorhanden ist. Dadurch können nicht nur die Kosten für die akademischen Einrichtungen gesenkt werden, sondern auch für die Studierenden, die oft weite Wege zu Schulen und Universitäten in Regionen wie SSA zurücklegen müssen. Online-Unterrichtszeiten sind in der Regel flexibel, und die Kursmaterialien sind jederzeit zugänglich, was das Studium z.B. für berufstätige Erwachsene erleichtert. Digitale Bibliotheken bieten Zugang zu Literatur, wo es keine physischen Bibliotheken gibt. Entscheidend ist, dass E-Learning nicht durch die Größe physischer Klassenzimmer begrenzt ist – Online-Kurse können von einer unbegrenzten Anzahl von Studierenden rund um den Globus besucht werden. Da der Zugang zu Elektrizität und Breitbandinternet zunimmt, wird die Online-Bildung schnell für ein immer größeres Publikum zugänglich werden. Und die Verteilung von preiswerten Tablets an Studenten ist immer noch billiger als der Aufbau von Einrichtungen in Form von Gebäuden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass akademische Einrichtungen und Regierungen in SSA und Südasien zunehmend das Online-Lernen als vergleichsweise kostengünstige Investition in die Entwicklung des Humankapitals fördern. Des Weiteren helfen offene Bildungsangebote den Zugang zu Bildung trotz Bedenken hinsichtlich der Bildungsqualität und der sozialen Gleichheit zu verbessern. Sie werden als rationelles, kosteneffizientes Mittel zur Erweiterung der Bildungschancen wahrgenommen. Trotz anhaltender technologischer Hindernisse übernehmen Regierungen und akademische Einrichtungen in SSA zügig digitale Lernmodelle. In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen und Trends kann davon ausgeganen werden, dass die digitale und die offene Bildung in diesen Regionen zunehmend Einzug finden wird.


Quellen:

OER Africa

Unlocking Education – Open education as an intervention for socioeconomically weaker regions

In recent years, a clear trend towards online education has emerged in African and South Asian countries, even in the face of persistent technological obstacles. Many countries in Sub-Saharan Africa (SSA) and select areas of South Asia face socio-economic challenges marked by low income, housing disparities, and limited access to quality education and training. According to UNESCO estimates from 2016, one in five children worldwide, predominantly in developing countries, did not have access to education. This crisis could worsen as Africa’s youth population is projected to double to 830 million by 2050 and the situation is aggraving after the COVID-19-pandemic. Educational systems in these regions often struggle to accommodate this growth, with limited resources allocated for education. In this context, open and digital education is gaining traction as a means to provide more accessible quality education.

Building education – A matter of costs

Constructing schools and universities is futile in the long term if governments cannot sustain their operational costs. Many educational systems in developing regions suffer from chronic underfunding, a situation that may exacerbate as these systems expand and become more costly to manage. Despite relatively significant budget allocations for education compared to international standards, SSA governments are increasingly turning to open and digital education to address capacity gaps. Compared to traditional brick-and-mortar facilities, digital learning, facilitated by digital terminals and free applications, offers a flexible and cost-efficient alternative. While the pedagogical effectiveness remains to be fully assessed, digital and open education in developing countries holds promise from an educational economics perspective.

Bridging the Gap – The Promise of digital learning

What makes digital and open education appealing in SSA and South Asia is the adaptability of these educational systems. Unlike Western European systems with deeply ingrained traditions, these relatively young systems face the challenge of establishing schools as central hubs for compulsory education and improving educational attainment rates, which currently lag far behind those in Europe and North America. However, technological infrastructure barriers hinder participation in online education formats in many developing regions. The digital divide is particularly pronounced in Africa, where Internet penetration trails behind other regions globally. While urban areas see greater mobile device adoption and mobile broadband access, many remote rural areas still lack private access and rely on public facilities like schools, universities, and internet kiosks equipped with satellite terminals and often powered by solar energy. Nevertheless, the proliferation of smartphones in recent years has made digital learning more enticing. Mobile broadband technology is extending its reach into remote regions, making “m-learning” through cell phones a common form of instruction in socio-economically disadvantaged strata in SSA.

The Hybrid Approach – Blending Tradition and Technology

In developing countries, simply providing technology and digital content is insufficient to engage students in digital learning. Hybrid approaches that blend online and traditional methods may offer the most promising and highest quality model. Educators and policymakers must examine how to conceptualize and deploy online learning effectively, enhancing its delivery and content to align with local contexts and ensure interactivity. The generations growing up with mobile devices and online social interaction are likely to be more receptive to digital education.

Overcoming Technological Barriers

Open Distance Learning (ODL) has long been pursued as a means of expanding access to education. ODL universities offer inclusive, demand-driven education and are recognized as effective tools for social development. They typically have lower admission standards compared to traditional universities and offer a range of programs from short-term diplomas to full-fledged bachelor’s, master’s, and doctoral degrees. Many ODL institutions employ a blended learning model, combining various forms of distance learning with tutoring at study centers equipped with libraries, computers, and videoconferencing facilities. This flexibility caters to both first-time students and working adults, even in remote underserved regions. Furthermore, top research universities in Africa can collaborate, share costs, and pool resources through shared digital libraries and communication tools, fostering transnational research clusters.

Quality and Quantity of Distance Learning

ODL, while not originally intended to rival prestigious private universities in terms of academic excellence, serves a vital purpose in widening access to education, especially in regions facing economic challenges. While the quality of ODL institutions can vary significantly, dismissing them outright overlooks the substantial contributions they make to education accessibility. Many ODL universities have evolved over the years to offer rigorous and relevant educational programs that align with the needs of their students and industries. Accrediting bodies, although limited in number, play a key role in ensuring that ODL institutions maintain quality standards. These bodies can help evaluate and recognize the institutions that demonstrate a commitment to excellence in education. Ultimately, ODL represents a flexible and cost-effective means of expanding educational opportunities, particularly in regions with resource constraints. In this context, they have the potentail to complement traditional educational models and offer a pathway to learning for individuals who may otherwise be left behind.

Shaping the Future with Pioneer Projects

Many African governments are now actively promoting the adoption of information and communication technologies (ICT) and digital learning. For instance, the Kenyan government launched a digital learning program to digitize primary education, delivering over a million laptops and tablets with interactive digital content to public schools. OER Africa focuses on using Open Educational Resources (OER) to enhance teaching and learning across the continent. African Storybook offers free access to picture books in African languages to promote children’s literacy and imagination.

E-learning offers numerous advantages over traditional learning, from reduced costs to increased accessibility, flexibility, and scalability. As electricity and broadband access expand, online education becomes accessible to a broader audience, making it an attractive investment in human capital development for governments and academic institutions in SSA and South Asia. Overcoming persistent technological challenges needs to be addressed so that digital and open education can develop their full potential.

Finanzierungsmodelle für offene Schulbücher

2017 haben Maximilian Heimstädt und Leonhard Dobusch in ihrer Studie „Perspektiven von Open Educational Resources (OER) für die (sozio-) ökonomische Bildung an Schulen in NRW und in Deutschland“ verschiedene Modelle der Finanzierung von OER-Schulbüchern formuliert. Die Studie, die sich an die Bildungspolitik in Nordrhein-Westfahlen richtet, stellt den Ist-Zustand der schulischen Bildung in NRW 2017 sowie die Herausforderungen der Digitalisierungsprozesse dar und erarbeitet Lösungsangebote unter dem Gesichtspunkt von Open Educational Resources (OER). Zentraler Vorschlag der Studie, um ungeprüfte, tendenziöse Onlinematerialen in der Lehre zu vermeiden, ist die systematische Förderung der Erstellung von offiziellen OER-Schulbüchern, die sich rechtssicher verbreiten, verändern und rekombinieren lassen und die Qualitätsprüfung des Landes NRW durchlaufen haben. Dafür entwerfen die Autoren Handlungsszenarien zur (finanziellen) Förderung von Schulbüchern unter freier Lizenz:

  1. Ausschreibung von Pilot-Schulbüchern

Durch öffentliche Ausschreibungen werden deutlich mehr OER-Schulbücher vorfinanziert. Das Konzept weist niedrige Umsetzungshürden auf und knüpft unmittelbar an erfolgreiche OER-Projekte an. In Norwegen beispielsweise werden seit 2006 circa 20 Prozent des Schulbuch-Budgets – das sind 8,2 Millionen Euro – in die Entwicklung von OER-Materialien investiert. Nach diesem Vorbild könnten sukzessive der OER-Bestand und entsprechende Kompetenzen bei Verlagen erhöht werden.

2. Nutzungsbasierte Refinanzierung von OER-Schulbüchern

In diesem Szenario erfolgt die öffentliche Finanzierung von OER-Schulbüchern nutzungsabhängig durch eine Vergütung von OER-Schulbüchern, die erfolgreich die Schulbuchzulassung durchlaufen haben und in der schulischen Praxis auch tatsächlich zum Einsatz kommen. Die Höhe der Vergütung wird dabei anhand von Umfragen und Stichprobenerhebungen der OER-Bücher im Unterricht ermittelt.

3. Entwicklung von OER-Schulbuch-‚Rohlingen‘

Statt in fertige OER-Schulbücher zu investieren, könnte auch die Erstellung von ‚Rohlingen‘ finanziert werden, die leicht auf die Erfordernisse in verschiedenen Bundesländern angepasst werden können. Gemein haben die Rohlinge lediglich inhaltliche Minimalanforderungen des Schulministeriums, die zur Qualitätssicherung kontrolliert werden. Von da an können sie individuell von Bildungsmedienanbietern mit multimedialen Zusatzangeboten ergänzt werden, ohne dass diese sich um die offene Lizenzierung der grundlegenden Inhalte kümmern müssen.

4. Einführung einer OER-Klausel in den Zulassungsprozess

In diesem Szenario müssten sich Anbieter durch eine OER-Klausel im Rahmen der Schulbuchzulassung durch das Land NRW vertraglich verpflichten, die Schulbücher nach einer festgelegten Phase des kommerziellen Vertriebs als OER zur Verfügung zu stellen. Die Phase könnte entweder zeitlich (z.B. nach fünf Jahren) oder sachlich (z.B., wenn eine gewisse Anzahl verkauft wurde) festgelegt werden. So könnte es schon nach kurzer Zeit für verschiedenste Fächer OER-Schulbücher in NRW geben.

Die Verschiedenen Finanzierungsmodelle sind hier mit Empfehlungen der Autoren ausführlicher nachzulesen.

Was ist seitdem passiert und wie geht es weiter?

2020 hat das Ministerium für Kultur und Wissenschaft gemeinsam mit der Digitalen Hochschule NRW (DH.NRW) in der Förderlinie „OERContent.nrw“ (Open Education Resources) aufgrund der Corona-Pandemie 18 Konzepte für digitale Lehr- und Lernformate mit insgesamt 10,5 Millionen Euro gefördert, um das E-Learning Angebot der Hochschulen auszubauen. Die Lehr- und Lerninhalte wurden in das neue Online-Landesportal ORCA.nrw (Open Resources Campus NRW) eingestellt und stehen allen Studierenden und Lehrenden in NRW zur Verfügung.

OERContent.nrw ist die größte bundesweite Förderlinie für offene Bildungsressourcen. Durch die Förderlinie soll der Nutzen von frei zugänglichen Lehr- und Lernangeboten für Lehrende und Studierende erkennbar und erfahrbar werden. Doch es braucht mehr Angebote und Förderinitiativen. Aufgabe der Bildungspolitik ist es, bestehende Finanzierungmodelle anzupassen, um die professionelle Erstellung von OER-Schulbüchern und Lernmaterialien zu ermöglichen.


Quellen:

http://www.fgw-nrw.de/fileadmin/user_upload/NOED-Studie-06-Dobusch-A1-komplett-Web.pdf

https://www.dh.nrw/kooperationen/OER-Content.nrw-42

Von Open Access bis Open Source: Definitionen von Openness in verschiedenen Feldern

Openness ist eine Bewegung und ein Leitgedanke, der aus dem Softwarebereich stammt und mittlerweile in einer Vielzahl weiterer Themen- und Tätigkeitsfelder Einzug gehalten hat. Wir stellen ausgewählte Themenbereiche und die Bedeutung von Openness darin vor. 

Open Source

Open Source ist eine Bewegung, eine Denkweise und eine Art des Arbeitens. Angefangen in der Open Source Software (OSS), geht sie nun weit über diesen Bezugsrahmen hinaus, um neue Wege zu Problemlösungen in Communities und Brachen zu lösen. Open Source wird oftmals auch synonym mit Open Source Software und Open Source Hardware benutzt.

Open Source Software

Der Begriff Open Source geht ursprünglich auf die Open Source Software (OSS) zurück. OSS beschreibt einen der Öffentlichkeit zugänglichen Code, der verändert und geteilt werden kann, d.h. die Software wird unter einer offenen Lizenz veröffentlicht, sodass der Quellcode allen Nutzer:innen angezeigt oder von diesen verändert werden kann. Solche Software setzt auf Transparenz, gemeinsame Entwicklung und Peer-Review. Vorteile der offenen, dezentral und kollaborativ entwickelten Software sind die oftmals deutlich geringeren Kosten sowie ihre Flexibilität und Langlebigkeit. Der frei zugängliche Quellcode wird durch Peer-Review-Prozesse stetig geprüft und verbessert. Alle Änderungen sind transparent und können überprüft und verfolgt werden. Durch kontinuierliche Aktualisierung des Codes durch die Community können Fehler schnell gefunden und behoben werden. Die Community stellt dabei allen ihre Ressourcen, Hilfen und Perspektiven zur Verfügung. Gehostet werden Open Source Projekte oft auf GitHub. Weitere bekannte Open Source Projekte sind z.B. Linux, Ansible und Kubernetes.

Entstehung: Peer-Review und offene Feedbackprozesse

In Internetforen konnten Programmierende erstmals weltweit in gemeinsamen Austausch treten und ihre Quellcodes untereinander austauschen und gegenseitig weiterentwickeln. Sie nutzten die offene und kollaborative Umgebung, die offene Feedbackprozesse begünstigten, und schafften im Austausch neue Standard für offene Kommunikation und Kollaboration.
Zunächst war bei OSS die Rede von freier Software – basierend auf der Freiheit die Software nach Belieben nutzen zu können. Doch dies verursachte einige Verwirrungen bei der Bedeutung von „frei“ und „offen“, sodass es Ende der 1990er Jahre zu der endgültigen Trennung der Begrifflichkeiten kam. Freie Software meint heute aber nicht mehr das gleiche wie Open Source, denn bei freier Software dürfen nur die Besitzer auf ihren sonst geschlossenen Quellcode zugreifen. Dieser ist nicht für die Community für Änderungen freigegeben. Open Source hingegen verzichtet auf solch eine Anbieterbindung und steht nicht vorrangig für die Debatten um Nutzerfreiheit, sondern hauptsächlich für methodische, produktionstechnische und geschäftliche Aspekte der freien Software.

Open Source Hardware

Open Source Hardware (OSH) verfolgt ebenfalls das Prinzip und die Werte der Open Source Software. Es handelt sich hierbei um Hardware, die nach offenen oder freien Bauplänen konstruiert wird, d.h. die Baupläne werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sodass diese nicht nur eingesehen werden können, sondern auch geteilt, weiterverarbeitet und für verschiedene neue Zwecke angepasst werden können. Bei Veränderungen werden auch hier Komponenten bevorzugt, die offen lizensiert sind.

Open Government und Open Data

Die beiden häufig synonym verwendeten Begriffe Open Government und Open Data stammen aus dem Bereich der Politik und Verwaltung und stehen für eine Bewegung zur Bereitstellung von Behördendaten für die Nutzung der demokratischen Öffentlichkeit.

Open Government

Open Government ist ein demokratischer Ansatz für beteiligungsorientierte Chancen der Zivilgesellschaft im Bereich der Politik und Verwaltung. Gemeint ist die Öffnung von Regierung und Verwaltung – oder genauer gesagt die Offenlegung derer Daten – für die Bürger:innen des Staats. Diese Öffnung soll neben Teilhabe auch Transparenz und neue Kooperationsformen von Staat, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft schaffen, die neu geknüpften Bande intensivieren und damit auch zu einer Stärkung der gemeinsamen Interessen und Belange sowie legitimeren politischen Entscheidungen führen. Diese Ziele finden sich auch in den vier inhaltlichen Säulen wieder, die die Open Government Bewegung tragen: Bürgerbeteiligung, Transparenz, Korruptionsbekämpfung und Rechenschaftslegung. Dafür müssen aber nicht nur die Daten offengelegt werden. Voraussetzung für dieses strategische Vorhaben, das nicht nur die Demokratie stärken, sondern auch die Effizienz in der Verwaltung steigern soll, ist die kollaborative Zusammenarbeit mit der Bevölkerung, der Transparenz bei allen Entscheidungen und Handlungen zugrunde liegt. Kurz gesagt: Es geht darum Verwaltung und Regierung mit Web 2.0-Technologien und einer offenen Denk- und Handlungsweise offener und damit transparenter, partizipativer und kooperativer zu machen.

Open Data

Die Open Government Bewegung beruht auf dem Konzept von Open Data. Open Data sind Daten von allgemeinem öffentlichem Interesse, die frei zugänglich gemacht werden und frei weiterverbreitet und -verarbeitet werden dürfen. Im Fokus stehen vor allem amtliche Daten, wie Statistiken, Karten, Gesetze, Gerichtsurteile und andere Dokumente und Informationsträger (Open Government Data). Ausgenommen sind personenbezogene oder weitere dem Datenschutz unterliegende Informationen. Der Ansatz beschränkt sich aber nicht nur auf die öffentliche Verwaltung, sondern beinhaltet auch Daten von Hochschulen, Non-Profit-Institutionen und privatwirtschaftliche Unternehmen. Insgesamt beschreibt Open Data sämtliche Daten. In der Praxis sollen die Daten möglichst einfach und strukturiert ohne rechtliche Einschränkungen maschinenlesbar mithilfe von Web 2.0-Anwendungen zugänglich gemacht werden. Auch hier ist wieder das Ziel gesetzt die Verwaltungstransparenz und die gesellschaftliche Kontrollfunktion zu erhöhen.

Open Access

Der Open Data Anspruch, Daten und Erkenntnisse frei teilen und nutzen zu können, führte zur Entstehung der Open-Access-Bewegung, die öffentliche Forschung der Allgemeinheit frei zugänglich machen möchte. Open Access (OA) bedeutet freier und kostenloser Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen, wie Literatur, peer-reviewte Forschungsergebnisse oder andere Materialien für alle Interessierten weltweit. Bei Open Access Dateien handelt es sich stets um Online-Publikationen, da die Forschungsergebnisse im Internet flexibler und freier nutzbar sind. Die OA-Bewegung entstand in den 1990er Jahren mit der Begründung, dass bisherige Publikationsstrukturen zu einer Privatisierung des von der Allgemeinheit finanzierten Wissens geführt haben. Neben finanziellen Aspekten sprechen ebenfalls eine schnelle Relevanzprüfung, die Ermöglichung und Beschleunigung wissenschaftlicher Zusammenarbeit und bessere Auffindbarkeit der OA-Publikationen für das Konzept, um Wissen zu teilen und voranzutreiben.

Publizieren und Lizensieren 

Wird eine wissenschaftliche Arbeit unter OA-Bedingungen publiziert, erlangt jede:r mit Internetzugang die Möglichkeit und Erlaubnis diese kostenfrei zu nutzen, also zu lesen, zu speichern, herunterzuladen, zu verlinken usw. Weitere Nutzungsrechte zur freien Nutzung, Vervielfältigung, Verbreitung oder Veränderung der Publikation werden über freie Lizenzen geregelt. Grundsätzlich geschieht dies unter Creative-Commons-Lizenzen (CC-Lizenzen). Die freiste Form der CC-Lizenzen, welche allein dem OA-Anspruch entspricht, ist die sog. CC-BY-Lizenz, die sicherstellt, dass die Autor:innen rechtlich abgesichert und immer als Urheber:innen der Arbeit genannt werden.
Es gibt zwei grundlegende Wege des OA-Publizierens: den goldenen Weg (Gold OA) und den grünen Weg (Green OA).

Goldener Weg

Bei goldenem OA erscheint die Publikation in der endgültigen Fassung unmittelbar und direkt in einem Open Access Medium, wie z.B. Bücher oder OA-Zeitschriften, die Peer-Review-Verfahren einsetzen. Dabei fallen für die Autor:innen häufig Publikationsgebühren an. Werden diese von Verlagen übernommen, spricht man von Diamond Open Access – der einfachsten und am fairsten wahrgenommenen OA-Form. Auf dem goldenen Weg besteht für Autor:innen auch die Möglichkeit des hybriden OA, bei dem sie ihre Werke bei Verlagen “freikaufen” können. In diesem Fall verdienen Verlage doppelt.

Grüner Weg

Bei grünem Open Access wird die endgültige Fassung einer Publikation nicht frei zugänglich veröffentlicht. Stattdessen kommt es neben der Verlagsversion zu Parallelveröffentlichungen, Zweitveröffentlichungen oder Selbstarchivierungen auf privaten oder institutionellen Websites der Autor:innen. So entstehen für diese keine Kosten, wenn sie ihre Arbeit kostenfrei zur Verfügung stellen. Bei solchen grün publizierten Dokumenten handelt es sich meist um Pre- oder Postprints, die den Verlagen als Kopie eingereicht wurden.

Open Science und Open Education

Kommen wir abschließend auf den Bildungsbereich zu sprechen. Open Science wird häufig synonym mit Open Access verwendet und meint eine kollaborative Wissens- und Wissenschaftspraxis, bei der Forschungsdaten, Laborberichte und andere Forschungsprozesse frei zugänglich sind. Daten, Dokumente und weiteres Material wird zur Wiederverwendung, Weiterverbreitung und Vervielfältigung veröffentlicht, um Wissen und Forschung sowie die ihr zugrundeliegenden Daten, Methoden und Konzepte weiterzuentwickeln und voranzutreiben. Ähnlich sieht es im Bereich der Open Education aus, der das Ziel verfolgt Bildung frei verfügbar zu machen. Allerdings beschränkt sich Open Education in Bezug auf freien Zugang zu Bildung nicht nur auf internetgestützte Wissensvermittlung mithilfe freier Lehrmittel (OER) – und ist damit auch nicht mit E-Learning-Prozessen gleichzusetzen-, sondern ist ebenfalls als Bewegung oder Konzept zur Entwicklung von Modellen, die allen Menschen die Teilhabe an Bildung ermöglichen, zu verstehen. 

Weiterführende, ausführliche Informationen zu Openness im Bildungsbereich haben wir in den folgenden Beiträgen zusammengestellt:

Bündnis Freie Bildung

OESA ist seit August 2020 Mitglied im Bündnis Freie Bildung – was bedeutet das?

Über das Bündnis

Das Bündnis Freie Bildung ist treibende Kraft in der deutschsprachigen OER- Community. 2014 gründete es sich aus einer Initiative von Creative CommonsOpen Knowledge Foundation Deutschland und Wikimedia Deutschland zur Förderung des Themenfeldes offener und freier Bildung.

Im Bündnis schließen sich mittlerweile über zwanzig Organisationen, Institutionen und Vereine sowie zahlreiche Einzelpersonen zusammen, um sich für freie Bildung, frei zugängliche Bildungsmaterialien, offene Bildungspraktiken und offene Lizenzen in der Bildung einzusetzen – und damit politische Entscheidungen und gesellschaftliche Diskussionen mitzugestalten. Als Forum und Plattform organisiert das Bündnis deshalb Veranstaltungen, veröffentlicht Positionen, sucht das Gespräch mit Entscheidungstragenden in Politik und Verwaltung, bringt sich aktiv in Diskursen rund um Lehren, Lernen und Bildung ein, mit dem Ziel Bildungsungleichheiten abzubauen und gleichberechtigte Partizipation in einer digitalen, demokratischen Gesellschaft zu fördern.

Das Forum Open Education als Teil des Bündnisses beispielsweise bringt Akteure zusammen, um Strategien zu entwickeln, in den Austausch zu kommen und neue Impulse zu geben. Im Fokus der Arbeit im Bündnis stehen dabei Bildungsmaterialien (Open Educational Resources), Software und Technik (Open Source), Urheberrecht (Open by default), Zugang (Bildung für Alle) und Pädagogik / Didaktik (Open Educational Practices).

OER und OEP

Das Bündnis versteht Open Education „als eine Sammlung von Ansätzen zur Förderung von Bildungschancen, zum Beispiel durch politische Maßnahmen und Policies, der Verwendung offener digitaler Bildungsressourcen oder dem Einsatz offener Kurse im Internet. Dabei ist Offenheit keine absolute, sondern eine relationale Kategorie, die immer im Zusammenhang bestimmter sozialer, politischer, ökonomischer und pädagogischer Kontexte steht.“ Denn Bildung sollte immer zugänglich, partizipativ und demokratisch sein.

Freie Bildungsmaterialien, also Open Educational Resources (OER) können einen Beitrag leisten, dem gesamtgesellschaftlichen Ziel der Bildungsgerechtigkeit näher zu kommen. Sie sind dank offener Lizenzierung für alle ohne nennenswerte rechtliche und technische Hürden mit Freier Software verwendbar. Insbesondere dürfen sie auch verändert, mit anderen Materialien gemischt und wiederveröffentlicht werden. Dies ermöglicht es, Zuschnitt und Umfang von Materialien besser an die Bedürfnisse der Lernenden und ihren jeweiligen Kontext anzupassen, diese aktuell zu halten und sie weltweit legal auszutauschen.

Somit stellen OER Katalysatoren zeitgemäßer Bildung dar, denn sie  ermöglichen nicht nur selbstbestimmtes und demokratisches Lernen und digitale Kollaboration, sondern fördern zudem eine kritische Reflexion zu Medien und deren Nutzung und öffnen den Zugang zu Bildung. Die Einbindung von OER in Lehre und Unterricht, also die Anwendung von Open Educational Practices (OEP), erfordert aber die Qualifizierung und Weiterbildung der Lehrenden, fortwährende Entwicklung didaktischer Lehrkonzepte mit OER und eine entsprechende Finanzierung.

Open Source

Die Nutzbarkeit von Software im Bildungsbereich ist noch immer eingeschränkt. Dabei dürfen Software und Infrastrukturen Lernen und Lehren nicht beschränken, sondern müssen Freiraum geben. Die für freie Bildung verwendete Software sollte grundsätzlich offen, nachhaltig und gestaltbar sein. Open Source Software bietet die Möglichkeit Abhängigkeiten von bestimmten Softwareunternehmen (Lock-in-Effekte) zu vermeiden, Bildungseinrichtungen digitale Souveränität zu ermöglichen und keine zusätzlichen Hürden für den Zugang aufzustellen – und geht somit Hand in Hand mit dem Prinzip offener Bildung, welche viel mehr noch auf eine Standardkonformität für eine vernetzte Infrastruktur angewiesen ist, die nur durch entsprechende Software und Formate realisiert werden kann. Mit dem Blick auf offene Standards, vernetzte Plattformen, Unabhängigkeit und Transparenz bietet offene Software die Möglichkeit für pädagogische Gestaltbarkeit, Anpassung und Änderung für vielfältige Szenarien im Lehrbetrieb.

OESA und das Bündnis

Als Teil des Bündnis Freie Bildung teilen wir dieselben Werte und arbeiten als gemeinnütziger Verein an der Förderung offener Bildung mithilfe offener Software. Beim Forum Open Education 2020 haben unsere Mitglieder Celestine Kleinesper und Katharina Mosene als Co-Autorinnen bei einem Vorschlag zur Umgestaltung von Schulbibliotheken zu offenen Medienzentren mitgewirkt. Die Ergebnisse aus dieser Arbeitsgruppe wurden auf einem Livestream mit anderen Arbeitsgruppen des Bündnisses und Politiker:innen diskutiert.

Weitere Informationen zum Bündnis Freie Bildung: hier.

Quelle: Bündnis Freie Bildung – Positionspapier (Stand Sep. 2018), freigegeben unter CC BY 4.0

Open als Standard! Doch was bedeutet “offen”?

Offenheit oder Openness begegnet uns in diversen Kontexten: Die Bundesregierung will sich mehr für Open Data einsetzen, Open- Source- Software soll angeblich besser sein und durch Open Access soll Literatur online zugänglich sein- was steckt eigentlich dahinter?

“We are open!”

Wenn etwas “open” ist, drückt das eine Vorstellung, eine Überzeugung aus. Openness basiert im Kern auf einem egalitären Verständnis von Kollaboration und lebt von der Überzeugung der Qualität der Vielen. Kurz gesagt bedeutet Openness, dass etwas zugänglich, frei und transparent ist. Dadurch soll z. B. mehr Gemeinschaftlichkeit und Zugänglichkeit ermöglicht werden. Die Idee stammt aus der Software- Entwicklung: Softwarepakete wie Microsoft Office müssen käuflich erworben werden, die Fehler in der Software zu beheben und neue Funktionen zu entwickeln ist ausschließlich Zuständigkeit von Microsoft. Der Quellcode, gewissermaßen der “Bauplan” der Software, ist geheim. Offene Alternativen wie LibreOffice veröffentlichen ihren Quellcode, sodass weltweit Fehler ausgemerzt und neue Funktionen programmiert werden können. Bei offener Software wird so das Risiko an Viren minimiert und Kosten gering gehalten.

Free as in free speech, not as in free beer

Offen bedeutet nicht zwangsläufig, dass etwas kostenlos ist. Vielmehr geht es darum, Daten und Medien besser verwenden zu können: Nehmen wir das Beispiel Open Science. Hinter dem Begriff steckt eine Wissenschaftspraxis, bei der durch Kollaboration der Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen, Forschungsdaten und -software erleichtert wird – mit dem einfachen Ziel die Forschung voranzutreiben. Qualitätssicherung und verbesserte Informationsversorgung sind nur einige Stichworte, wenn es darum geht Forschungsdaten weltweit zu teilen. Dieser Prozess umfasst eine ganze Reihe an Umsetzungsmöglichkeiten: vom Veröffentlichen von Laborberichten und Datensätzen in offenen Netzwerken, über das Bereitstellen wissenschaftlicher Materialen als offene Ressourcen, bis hin zur Öffnung wissenschaftlicher Prozesse für die Öffentlichkeit. Wenn all dies aber unter der Voraussetzung von Verbreitung und Vervielfältigung geschieht, stellt sich die Frage, wie trotzdem geistiges Eigentum geschützt werden kann.

Wie ist das mit Datenschutz zu vereinbaren?

Offenheit als gelebtes Ideal schließt eine Verpflichtung zur freien Nutzung eigener Daten und Medien klar aus. Es soll von allen selbst entschieden werden, inwieweit etwas genutzt werden kann. Möglich wird das durch Creative- Commons- Lizenzen (das Copyright- Zeichen ist in Deutschland übrigens nicht rechtsgültig!): In verschiedenen Lizenzkategorien ist festgelegt, ob z.B. etwas zu kommerziellen Zwecken genutzt werden darf, ob etwas vervielfacht werden darf oder ob die Quelle genannt werden muss.

Datensicherheit, Verständlichkeit und Transparenz, vor allem aber die Themen Zugänglichkeit, Barrierefreiheit und Flexibilität leiten den Komplex OPEN.

Was bedeutet das?

Im schulischen Bereich kann etwa Lehrmaterial dadurch verbessert werden, dass Lehrkräfte ihre Unterrichtspläne teilen, gegenseitig Korrektur lesen, Aufgaben erweitern oder an Altersgruppen anpassen. So kann der immer gleiche Lehrstoff immer besser vermittelt werden, anstatt jedes Mal bei der Unterrichtsvorbereitung von vorn anzufangen. Entscheidend ist dabei, nicht nur Erkenntnisse anderer für eigene Zwecke zu verwenden, sondern selbst etwas beizutragen. Der digitale Wandel, der in aller Munde ist, meint somit nicht einfach, dass Texte digitalisiert und an Schulen mehr Computer eingesetzt werden. Vielmehr geht damit ein essentieller Wertewandel einher, der sich auf verschiedene Berufszweige, aber auch stark auf die persönliche Haltung bezieht. Daher ist ein Bewusstsein für digitales Geschehen und eine kritische Reflexion mit aktuellen Themen rund um Medien und Digitalisierung von großer Bedeutung.

Ein Blick in die Zukunft

Für zukunftsfähige Gesellschaften wird künftig gelten: Offenheit als die grundlegende Triebfeder aller sozialen Praktiken.

Open ist innovativ, weil es immer neue Räume für Zusammenarbeit schafft und open ist disruptiv, weil es immer wieder etablierte Wege, Systeme und Strukturen überwirft. Openness ist die eigentliche Kernkompetenz der sogenannten „21st century skills“. Als soziale Praxis ist Offenheit immer politisch, nie privat. Vor allem dann nicht mehr, wenn es zunehmend um Themen wie Quantancomputing und Künstliche Intelligenz, Open Data und grenzenlosen Datenverkehr geht. Wenn wir über die Förderung von digitaler Bildung sprechen, reicht diese allein bei Weitem nicht aus, denn das schlichte Überführen von Bildungsressourcen und -prozessen von analog nach digital baut vielmehr Kompetenzbarrieren auf und erschwert aufgrund der überwiegend profitorientierten Angebote vielfach den Zugang zu Bildung.

Um einen freien Zugang zu Wissen voranzutreiben, braucht es politische und wirtschaftliche Anreize, Open Access Software, Open Education und Open Science in den Mittelpunkt des bildungspolitischen Handelns zu stellen. Die UNESCO hat das Thema OER schon vor Langem auf ihre Agenda gesetzt, die EU sollte dies auch tun. Wir bei OESA verstehen uns als unabhängige Institution, für die Openness oberste Priorität hat und treiben es im Rahmen unserer Arbeit an.

Stand und Entwicklung der Schulclouds in Deutschland

Das coronabedingt entstandene Homeschooling oder Distance Learning hat das Lernen mit digitalen Medien in den Fokus der öffentlichen Diskussion gerückt und deutliche Unterschiede in der Nutzung von Schulclouds in Deutschland sichtbar gemacht. Das Institut für Informationsmanagement an der Universität Bremen (ifib) widmete sich deshalb im Auftrag der Telekom-Stiftung einer systemischen Bestandsaufnahme schulischer Lernplattformen und IT-Strategien aller Bundesländer und fünf deutscher Kommunen. Die jüngst veröffentlichte Studie befasst sich mit den Fragen:

  • Was steckt in den verschiedenen Lernplattformen, die die Bundesländer und auch manche Kommunen ihren Schulen anbieten?
  • Wie sind die Systeme technisch organisiert?
  • Wer leistet pädagogische und technische Unterstützung?
  • Wie stark unterscheiden sich diese Lösungen voneinander?

Die Studie liefert neben einem Überblick über die genutzten Lösungen auch ein Modell, das alle Teile eines Lern-Management-Systems (LMS) systematisiert und zeigt, welche Möglichkeiten die jeweiligen Lernplattformen Schülerinnen und Schülern bieten, wie der Betrieb der Systeme organisiert ist, und wer pädagogische und technische Unterstützung leistet. Bayern, Bremen, Hamburg und Sachsen zeigten eine breite Aufstellung digitaler Medien für den Unterricht. In anderen Ländern dagegen existieren unterschiedliche Lösungen zum Teil nebeneinander.

Die abschließende Erkenntnis der Studie:

Eine bundesweit einheitliche Schulcloud-Lösung werde es in Deutschland wahrscheinlich nicht geben – und sie sei auch nicht notwendig, solange es zukünftig gemeinsame Standards und funktionierende Schnittstellen für alle bestehenden Lern-Management-Systeme gebe.

Der Nutzen von LMS sollte spätestens seit den Schulschließungen klar sein, auch wenn Deutschland im internationalen Vergleich erst sehr spät angefangen hat, sich mit Lernplattformen zu beschäftigen. Als wahre Alleskönner unterstützen Schulclouds oder Lern-Management-Systeme Lehr- und Lernprozesse, vereinfachen organisatorische Abläufe und bieten eine technische Basis für die Kommunikation zwischen Lehrenden, Lernenden, Eltern und der Schule durch ergänzende Angebote externer Anbieter (z.B. mittels Videokonferenzsysteme oder Messengerdienste).

Wir von OESA e.V. empfehlen folgende, Open-Source-basierte Systeme:

  1. Moodle
  2. ILIAS (entwickelt an der Universität Köln)
  3. und StudIP.

Denn alle drei werden auf dem eigenen (Schul-)Server gehostet, sind mithin DSGVO-konform, kostenlos und frei von Werbung und ermöglichen es durch geschlossene Benutzergruppen die Zugangsberechtigungen für die verschiedenen Instanzen zu kontrollieren. Das Einrichten von Lernumgebungen ist allerdings stark abhängig von der jeweils vorhandenen IT-Infrastruktur; sowohl Moodle, als auch Ilias müssen als geschlossene Systeme auf dem eigenen Server aufgesetzt und gehostet werden. Wer nach niedrigschwelligeren Angeboten sucht, wird mit Einbußen in den Funktionen rechnen müssen. Um Open Source Systeme, wie z.B. Moodle im Schulkontext aber langfristig, nachhaltig und zukunftsfähig zu etablieren braucht es neben dem Bereitstellen materieller Ressourcen zur IT-Ausstattung noch sehr viel stärkere Investitionen in das Know-How der Institutionen und die Kompetenzen der Personen. Weitere Informationen zu LMS und deren didaktisch sinnvollen Nutzung haben wir hier zusammengestellt.