Der Dualismus der Daten und die Bedeutung von Algorithmen

Wir interagieren bei der Internetnutzung im Alltag mit diversen Algorithmen, sei es auf unseren Social-Media-Profilen, beim Surfen im Web, beim Lesen einer Online-Zeitung oder beim Schauen eines YouTube-Videos. Algorithmen erweisen sich als nützliche Helfer, denn sie ermöglichen z.B. beim Online-Shopping die Speicherung des Warenkorbs beim Verlassen der Website. Dabei nehmen wir diese Algorithmen kaum aktiv wahr, was hat es also mit ihnen auf sich und welche Kehrseiten müssen wir bedenken?

Unsichtbares Protokoll

Ein Algorithmus ist ein Satz von Routinen, Regeln oder Befehlen. Da Algorithmen in der Regel auf der Benutzeroberfläche unsichtbar sind, werden sie auch als “Blackbox” bezeichnet. Die Funktionsweise ist Internetzutzenden nicht immer bekannt und dadurch fehlt eine Sensibilisierung für potentielle Bedrohungen: Algorithmen werden versteckt, um das geistige Eigentum zu schützen, die Details vor den Nutzenden zu verbergen und deren „Interaktion“ mit dem System mühelos zu gestalten. Dadurch wird aber gleichzeitig verhindert, dass die Nutzenden die Einzelheiten der Funktionsweise oder sogar die Existenz algorithmischer Systeme verstehen. Unabhängig davon, ob das Verständnis der Nutzenden vorhanden ist oder nicht, kann ihr wahrgenommenes Wissen über einen Algorithmus dennoch ihr Verhalten beeinflussen, weshalb ein Bewusstsein für diese Prozesse wichtig ist. Dazu gehört, Algorithmen transparent zu machen – zumindest auf der Ebene, die für eine verantwortungsvolle Nutzung erforderlich ist – und Menschen dabei zu unterstützen, ihr Verhalten im Internet verantwortungsvoll zu gestalten.

Das Risiko der Filterbubble

Algorithmen sortieren Daten auf der Grundlage dessen, was uns zu gefallen scheint, und schlagen uns darauf basierend ähnliche Inhalte vor. Künstliche Intelligenz (KI) kann bei der Sortierung derartig großer Datenmengen äußerst effizient sein. Sie filtert durch Klassifikationen und Priorisierungen von Informationen den Inhalt, den wir täglich online sehen. So werden uns individuell zugeschnittene Online-Inhalte und Dienste auf der Grundlage unserer Gewohnheiten, Vorlieben und Identitätsmerkmale angeboten. Automatisiert bestimmen sie unsere Informationsquellen und damit auch unsere Perspektive auf die Welt und auf andere. Diese Filterblase führt zu einer Reproduktion unserer bereits bestehenden Meinungen und spitzt sie eventuell noch zu, denn andere Perspektiven werden ausgeblendet. Filterblasen können uns so zwar Zeit bei der Suche nach neuen Inhalten sparen, aber auch unser Weltbild stark beeinflussen und kognitive Verhaltensweisen wie Impulsivität und Ablenkung verstärken. Werden wir uns dieser Blasen bewusst, können wir Online-Inhalte differenzierter betrachten und den Algorithmus gezielt beeinflussen, indem wir z.B. nach anderen Perspektiven auf ein Thema suchen.

Das Risiko von Personalisierung und Profilierung

Mit der zunehmenden Anzahl an Personalisierungstechnologien durch kommerzielle Plattformen wie Amazon, Netflix oder Spotify wächst auch die Anzahl der Datenverfolgungspraktiken, die dazu dienen, Rückschlüsse auf die alltäglichen Gewohnheiten und soziokulturellen wirtschaftlichen Verhaltensweisen abzuleiten. Zu den aktuellen Strategien der Datenverfolgung gehören das Sammeln von Browserverläufen, „Likes“, Kauf- und Suchverläufen, Geolokalisierung, App-Interaktionen, hochgeladenen Fotos, mobilen und anderen hörbaren Gesprächen, geschriebenen Kommentaren, geräteübergreifenden Aktivitäten und IP-Adressen, Inhalten von E-Mails, sozialen Kontakten, Song-Downloads, Kreditvergangenheit, Film-/Fernsehverhalten, Spiele-Highscores und eine Vielzahl anderer nachvollziehbarer alltäglicher Handlungen. Benutzerinformationen und Suchanfragen werden in Datenbanken zusammengefasst, um Kaufabsichten, Wünsche und Bedürfnisse verstehen und voraussagen zu können, welche dann in Echtzeit mit Verhaltensmodellen abgeglichen werden können. Klicks kommt dabei ein eine Schlüsselrolle zu, denn sie werden als Muster von Verhaltensweisen „gelesen“. Anhand dieses Klickverhaltens produzieren Algorithmen Wissen, das zu komplexen Profilen verdichtet wird. Um dieses Profil aktiv verändern zu können, benötigen Nutzende ein Bewusstsein für diese Prozesse und Zugang zu ihrem Profil. Diese sind meist weder transparent noch beeinflussbar, da die Verfahren zur Errechnung von Profilen in der Regel Geschäftsgeheimnis sind. Eine Ausnahme ist Google: Eingeloggten Nutzenden wird die Möglichkeit geboten, das über sie erstellte Profil einzusehen und anzupassen. Sie können ihr persönliches Interessenprofil in den Einstellungen bei den Ad Preferences einsehen.

Was bedeutet “Algorithmic Literacy”?

Unter Algorithmic Literacy wird verstanden, über ein Bewusstsein für die Verwendung von Algorithmen in Online-Anwendungen, -Plattformen und -Diensten zu verfügen, die Funktionsweise von Algorithmen zu kennen, algorithmische Entscheidungen kritisch bewerten zu können sowie die Kenntnis mit algorithmischen Vorgängen umzugehen und sie zu beeinflussen. Praktisch bedeutet dies, dass Individuen in der Lage sind, Strategien zur Änderung vordefinierter Einstellungen in algorithmisch kuratierten Umgebungen, wie z. B. in ihren Social Media Newsfeeds oder Suchmaschinen anzuwenden. Das Ziel hierbei ist, die Ergebnisse verschiedener algorithmischer Entscheidungen zu vergleichen, um die Perspektivenvielfalt zu erhalten und die eigene Privatsphäre zu schützen. Algorithmic Literacy kann dementsprechend als ein Aspekt von Medienkritik und -kompetenz betrachtet werden.

Mittlerweile sollte deutlich geworden sein, dass es im algorithmischen Kontext auch immer um Datensammlung, Datenverarbeitung und Datenaustausch geht.  Dementsprechend ist auch der Datenschutz ein wichtiges Thema, wenn die Rede von einer Algorithmic Literacy ist. Besonders Social-Media-Algorithmen werden so designt, dass schnell Abhängigkeiten entwickelt werden können. Um dem entgegenzuwirken, kann ein erster Schritt darin bestehen, die Benachrichtigungen der Apps einzuschränken und sich seiner Nutzungszeit bewusst zu werden. Ein Projekt, das sich dafür einsetzt, ist das Algorithm & Data Literacy Project der UNESCO, das verschiedene Materialien zur Aufklärung über Algorithmen und ihre Auswirkungen auf den Menschen und die Gesellschaft, die auch für Kinder und den Unterricht geeignet sind, kostenlos bereitstellt. Wer mehr zu Algorithmen im Unterricht erfahren möchte, kann sich hier unser Video auf YouTube ansehen.


Quellen

Leyla Dogruel, Philipp Masur & Sven Joeckel (2022) Development and Validation of an Algorithm Literacy Scale for Internet Users, Communication Methods and Measures, 16:2, 115-133, DOI: 10.1080/19312458.2021.1968361

https://algorithmliteracy.org/https://www.pewresearch.org/internet/2017/02/08/theme-7-the-need-grows-for-algorithmic-literacy-transparency-and-oversight/

https://algorithmliteracy.org/

Open Source in der Landwirtschaft?!

Bei „Open Source“ denken die meisten zunächst nicht an Landwirtschaft, Gartenarbeit oder Nahrungsanbau. Tatsächlich gibt es gerade in diesem Bereich vielversprechende Ideen und rege Entwicklungen.

Womöglich liegt das an der stetig wachsenden Bevölkerung und der Klimakrise, die das Potenzial für Ernährungsunsicherheiten in Zukunft erhöhen wird. Eine mögliche Lösung für diese Probleme und die nachhaltige Lebensmittelerzeugung kann die Präzisionslandwirtschaft sein. Sie ist durch den Einsatz digitaler Technologien zur Überwachung und Optimierung landwirtschaftlicher Produktionsverfahren gekennzeichnet und bietet einen Mechanismus zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und zur Schaffung nachhaltiger Ernährungsmuster. Zum Einsatz kommen dafür verschiedene Sensoren, die z.B. die Wasserspeicherkapazität des Bodens oder die Temperatur messen. Wird beispielsweise eine unregelmäßige Wasserspeicherfähigkeit des Bodens von den Geräten festgestellt, kann die Wasserversorgung der Pflanzen an ihre Bedürfnisse angepasst werden. Der eigene Garten oder die eigene Farm wird somit zur Forschungsstation. Am einfachsten lässt sich dieses Konzept mithilfe von Open-Source-Technologien und Anwendungen umsetzten, um dort Nahrungsmittel anzubauen, wo es vorher nicht möglich war und zu jeder Jahreszeit eine Nahrungsquelle haben. Beim Open Gardening und Open Farming sind vor allem Food-Computer weit verbreitet. Diese sind im Grunde Tischgärten, die von einem Computer über ein Netzwerk von Sensoren, Lampen und Ventilatoren gesteuert werden und erstmals von Schüler:innen der Green Street Academy entwickelt wurden. Es handelt sich um eine Schaumstoffbox, die alles enthält, was eine Pflanze zum Wachsen und Gedeihen braucht: Wasser, Nahrung, Licht und ein kontrolliertes Klima. Doch beim Open Gardening und Open Farming geht es nicht nur um die genutzten Technologien, sondern auch das entsprechende offene Mindset. All diese Entwicklungen waren und sind nur in Zusammenarbeit möglich. Im Vordergrund der Open-Farming-Gemeinschaft steht der Austausch von Wissen und Ideen, um gemeinsam und gegenseitig die verschiedenen Projekte zu realisieren und weiterzuentwickeln. Im Folgenden stellen wir vier solcher offener Projekte vor, die in Zusammenarbeit das Problem der Klimakrise angehen:

Mit FarmBot kann jede:r mithilfe von CNC-Maschinen, die mithilfe von Steuerungstechnik Werkstücke automatisch herstellen, und der dazugehörigen Web-App auf jedem Computer oder mobilen Gerät verschiedene Pflanzen und Gemüsearten ziehen und den eigenen Garten von überall aus verwalten. Die Steuerung wird manuell bedient und es sind keine Programmierkenntnisse erforderlich. Die Open-Source-Technologie kann den gesamten Gemüsebedarf einer Person kontinuierlich anbauen, und das nach zwei Jahren zu geringeren Kosten als beim Einkauf in einem durchschnittlichen US-Lebensmittelgeschäft.

OpenFarm ist eine freie und offene Datenbank für landwirtschaftliches und gärtnerisches Wissen. Die Idee war mithilfe von Experten und Anfängern in der Landwirtschaft, einen zentralisierten, strukturierten und offenen Datensatz zu erstellen, der beschreibt, wie Pflanzen unter bestimmten Umweltbedingungen und mit bestimmten Anbaupraktiken angebaut werden können. So entstand eine Gemeinschaft sowie Werkzeugen für den freien Austausch von Pflanzenwissen auf lokaler und globaler Ebene, mit dem Ziel Grenzen durch den offenen Austausch von Wissen zu überwinden und die Beteiligung am Lebensmittelsystem zu erhöhen. Alle Daten und Inhalte von OpenFarm sind gemeinfrei (CC0) und damit leicht zugänglich. Der Quellcode von OpenFarm ist auf GitHub unter MIT-Lizenz verfügbar.

farmOS ist eine webbasierte Anwendung für die Verwaltung, Planung und Aufzeichnung von landwirtschaftlichen Betrieben. Sie wird von einer Gemeinschaft von Landwirten, Entwicklern, Forschern und Organisationen mit dem Ziel entwickelt, eine Standardplattform für die Erfassung und Verwaltung landwirtschaftlicher Daten bereitzustellen. Der farmOS-Server basiert auf Drupal, was ihn modular, erweiterbar und sicher macht und ist, wie die dazugehörige App unter der GNU General Public License lizenziert, d.h. sie sind frei und Open Source.

TANIA ist eine Open-Source-Betriebsführungs- oder Verwaltungssoftware für Landwirte, die mit der Hilfe von Entwicklern, Nutzern, Landwirten, Forschern und Landwirtschaftsexperten von Tanibox im Jahr 2017 initiiert wurde und auf GitHub gehostet wird. Sie wurde vor allem für Landwirte und Entwickler entwickelt, die sich für die Präzisionslandwirtschaft interessieren. Die Software funktioniert in jedem Betrieb, ist leicht zugänglich, flexibel, sicher, benutzerfreundlich und erschwinglich. Sie bietet außerdem Konnektivität mit Geräten wie z. B. Sensoren und Aktoren, um Landwirten mehr Kontrolle über die Überwachung und Steuerung ihres Betriebs zu geben, egal wo sie sind und wann sie es brauchen. So können sie ihren Betrieb nachhaltiger gestalten.

Quellen:

https://www.thuenen.de/de/at/arbeitsbereiche/umwelttechnologie-boden-pflanze/praezisionslandwirtschaft/

https://www.redhat.com/de/open-source-stories/farming-for-the-future